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Dieser Post ist ein „Primer“ für die weniger Verhandlungssicheren. Alle Profis unter uns sind herzlich eingeladen, mit ihren Kommentaren eine lebhafte Diskussion anzustoßen.
Kürzlich hatte ich eine Unterhaltung über die Verhandlung von F&E-Kooperationen mit einem Vertreter einer hoch angesehenen deutschen Forschungsgesellschaft. Er begann die Unterhaltung mit der Frage, ob Anwälte auch im Rahmen der Verhandlungen über den Vertragspreis beraten würden. Sodann redeten wir über vertragliche Vergütung und andere Konditionen, als ich bemerkte, dass wir eigentlich über einen anderen, jedoch verwandten Punkt sprechen sollten: Vertragswert. Nun, man könnte meinen, dass sei ein sehr geschäftsmäßiger Ansatzpunkt, aber wir schließen letztlich Verträge ab, um Geschäfte zu tätigen. Ich glaube, dass unter Verhandlungsparteien (abgesehen vom wissenschaftlichen Aspekt) dem Konzept des Vertragswerts verschiedene Prioritäten eingeräumt werden, in Abhängigkeit von der Jurisdiktion und der Kultur, in der man sich bewegt. Warum sollte ein Anwalt über einen Punkt schreiben, der so intrinsisch mit den (rein) geschäftlichen Aspekten einer Transaktion verbunden ist? Nun ja, weil von einem Anwalt erwartet wird, eben jenen Vertragswert rechtlich abzusichern. Anwälte sind diejenigen, die im Rahmen von Vertragsverhandlungen Anmerkungen aus den unterschiedlichsten Abteilungen erhalten, seien es Management, Finance, Controlling, Qualitätssicherung, Vertrieb, Produkt-Management, oder F&E – und alle verbinden mit der Transaktion einen bestimmten Wert bzw. haben ihre speziellen Bedenken bezüglich der Absicherung desselben. Preis macht den Unterschied, aber Preis ist nicht alles.
Als Diskussionsgrundlage folgen nachfolgend zwei Definitionen des Begriffs „Vertragswert“, wie man sie typischerweise in einschlägigen Nachschlagewerken finden kann: „der letztlich ausgehandelte oder angebotene Preis eines Vertrags“ (business dictionary) oder die „letztlich ausgehandelten oder angenommenen Kosten eines Geschäfts“ (the law dictionary), (man beachte den Unterschied!) – einmal abgesehen von weiteren Definitionen in diversen Industrien oder EU-Vorschriften. Persönlich glaube ich, dass der Vertragswert unter Berücksichtigung beider Aspekte („Preis“ und „Kosten“) zu ermitteln ist, wobei die beiden Parameter nicht mit einer direkten Geldzahlung, die von der jeweiligen Partei zu erhalten oder zu leisten ist, verwechselt werden sollten.
Wenn wir über Kosten eines Geschäfts sprechen, denken Vertragsparteien oft an Kosten wie Preis (Vergütung), Entwicklungs- und Produktionskosten oder Transportkosten in Relation zum erzielbaren Marktpreis eines Produkts über die jeweilige Vertragslaufzeit. Jedoch, und zugegebenermaßen in gewisser Abhängigkeit zur Professionalität der jeweiligen Vertragspartei, werden die (weiteren) Konditionen eines Vertrags eher seltener als „Kosten“ bei der Bewertung des Vertragswerts berücksichtigt. Vielleicht ist dieses Phänomen psychologischer Natur: das Business glaubt, den „wahren“ Vertrag zu schließen, während die Anwälte lediglich „ihr Ding“ machen. Eine klare Verhandlungsstrategie muss jedoch auch eine Einschätzung der anderen Vertragskonditionen in die Bewertung des Vertragswerts einbeziehen. Nehmen wir zur Illustration ein simples Beispiel aus einem Anfängerkurs für Vertriebsmitarbeiter: die unter einem Kaufvertrag zu erzielenden Gewinne können sich signifikant verringern, je größer (länger) die Gewährleistungsverpflichtungen des Verkäufers sind. Rein statistisch gesehen steigt die Zahl der Gewährleistungsfälle mit der Dauer der Gewährleistungsfrist. Aus jenem Grund kann im Rahmen der Verkaufs von (Verbraucher)Produkten in einer anderen Jurisdiktion (im Ausland) ein Blick in die dort geltenden Gewährleistungsregelungen erleuchtend sein: Einen Produktpreis, der auf Basis einer 90-tägigen Gewährleistungsfrist kalkuliert ist, wird ggf. schwerlich in einem Land mit obligatorischer zweijähriger Gewährleistungsfrist (z. B. für Verbraucherprodukte) zu halten sein.
Welche Punkte sollte man also berücksichtigen, wenn man Vertragsverhandlungen unter Berücksichtigung des Vertragswerts strukturieren möchte? Ich würde zwischen internen und externen Faktoren unterscheiden. Interne Faktoren (also solche, auf die eine Partei ggf. direkten Einfluss hat) mit Bedeutung für den Vertragswert wären bspw. Preis, Transaktionskosten, Entwicklungs- und Herstellungskosten, Beschaffungskosten, Teilequalität, Herstellungsqualität, zukünftige Produktverbesserungen, Gewährleistung, Haftung und Kosten für potentielle Streitbeilegungen (was wiederum mit der Frage des anwendbaren Rechts und des Gerichtsstands zusammenhängt). Weitere interne Faktoren im Hinblick auf das Vertragsverhältnis können Abstimmungsverzögerungen, „dead locks“ oder auch unklar formulierte Vertragsklauseln (Risiko eines Rechtsstreits) darstellen. Externe Faktoren (also solche, die von außen auf eine Partei einwirken) können Marktänderungen, Zunahme der Wettbewerber, zukünftig konkurrierende Technologien oder zukünftige regulatorische Änderungen darstellen. Alle diese Punkte können zusätzliche Aufwendungen bedeuten, die sich am „Preis“ bzw. an der vertraglichen Gegenleistung der anderen Vertragspartei messen müssen. Man wird wahrscheinlich nie den Eintritt des einen oder anderen Risikofaktors vermeiden können, jedoch sollte man für solche Fälle die Möglichkeiten zum Schutz der eigenen Interessen im Verhandlungsprozess berücksichtigen. Das können je nach dem Haftungsfreistellungen oder Haftungsbegrenzungen sein. In der Regel gibt es jedoch mehrere Möglichkeiten, einen Vertrag unter appropriater Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu strukturieren. Natürlich ist es sachdienlich, den Preis unter Berücksichtigung des Liefervolumens zu verhandeln. Jedoch ist es ebenfalls der Sache zuträglich, beim Verkauf z. B. eines technischen Geräts ebenfalls Punkte wie Gewährleistung, regulatorische Anforderungen, Haftung und Jurisdiktion als Kostenfaktoren zu berücksichtigen. Einige Controller können ein Lied davon singen, dass ungeachtet eines enormen vom Vertrieb erzielten Umsatzes Qualitätsprobleme oder Änderungen im regulatorischen Umfeld schon so manches Mal die Gewinnspanne marginalisieren konnten.
Insbesondere bei geschäftlichen Aktivitäten im Ausland können sich bei Vertragsverhandlungen oft verschmähte Punkte wie Fragen des anwendbaren Rechts, Rechtswegs oder Gerichtsstands als versteckter Kostenfaktor erweisen. Letztlich nützt es nichts, einen guten Preis ausgehandelt zu haben, wenn Unsicherheit über die Durchsetzung der vertraglichen Absprachen bleibt, man einem Rechtsstreit in einer unbekannten Jurisdiktion ausgesetzt ist, oder sich plötzlich unvorhergesehenen strengen regulatorischen Hürden ausgesetzt sieht. Letztlich ist der Wert eines Rechts nur so gut wie die Kosten für dessen Durchsetzung.
Würden Anwälte also in Preisverhandlungen unterstützen? Sicher, jedoch immer mit Blick auf die mannigfaltigen Faktoren, die den Vertragswert verringern können.
Dieser Beitrag sowie Antworten auf Kommentare zu diesem Beitrag enthalten allgemeine Erwägungen zum Gegenstand des Beitrags. Sie stellen keine rechtliche Beratung und kein Angebot zur Rechtsberatung dar und begründen kein Beratungsverhältnis.
Basics: Do You Value Contract Value?
This post is a primer for the not so negotiation-savvy. The pros are welcome to leave comments and engage in a diverse discussion!
I recently had a conversation with a representative of a highly reputed German research organization about negotiating R&D collaborations. He started off by asking whether lawyers would also assist in negotiating the contract price. We then talked about consideration and other contractual conditions when I realized that we should have talked about a related but different topic: contract value. Now that is a bit of a business approach you might say, however, we are entering into contracts because we want to do business, don’t we? I believe that among negotiating parties the concept of contract value (except for its scientific aspect) has different priorities depending on the jurisdiction and cultures you are dealing with. And why would a lawyer write about a topic that seems to have such an intrinsic business aspect? Well, because we lawyers are the ones who are supposed to protect your contract value. We are the ones getting input from all different ends when negotiating a deal: management, finance, controlling, quality assurance, sales, product management, research & development, etc. – and they all put their value on the deal and have their particular concerns on protecting it. Price does matter, but it’s not everything.
For the sake of discussion, following are two easily accessible definitions of “contract value” that you would typically find in pertinent dictionaries: “final negotiated or proposed price of a contract” (Business Dictionary) or “final bargained or suggested costs of a deal” (The Law Dictionary) (note the difference!) apart from the various definitions in specific industries or EU regulations. Personally, I think that the value of a contract is made of both, the price you get and the costs you have. I do believe, however, that you should not limit your analysis of “price” and “cost” to direct monetary compensation to be made to, or receive from, your contract party.
When considering “costs” related to a deal, parties often seem to focus at costs such as price (compensation), development and production costs, transportation costs in relation to a product’s market price over the term of the anticipated contract. However, and admittedly depending on a party’s professionalism, it seems that (other) contractual conditions (i.e., the terms of your deal) rarely are considered as costs in terms of contract value. Perhaps that’s psychological (business believes to do the “real” deal whereas the lawyers are doing “their thing”), however, a clear negotiation strategy must include a valuation of all of the terms you are negotiating. To illustrate, let’s take the simple example on the relationship between price and warranties from a 101 sales training: the profits of a sales contract can be significantly diminished the more (longer) warranties the seller needs to provide. As a statistical matter, the longer the warranty term the more warranty cases may arise. Thus, when selling (consumer) products in a different jurisdiction (abroad), a look at the prevailing warranty conditions can be enlightening since a product price calculated on the basis of a 90-day warranty may not uphold in a jurisdiction with a mandatory two-year warranty (e.g., for consumer products).
So what would you want to look out for considering contract value when structuring or negotiating a contract? I would distinguish between internal and external parameters. Internal parameters (parameters that may be directly influence by a party) would be factors such as price, transaction costs, development and production costs, procurement, vendor quality, production quality, future product enhancement, representations and warranties, liabilities, costs for potential dispute resolution (which goes along with governing law and jurisdiction). Further parameters can also be dead locks or unclear contractual provisions (risk of litigation). External parameters (impact from third parties) could be market changes, increasing number of competitors, future competing technologies, or regulatory changes. All of the above points can mean additional costs that need to be benchmarked against “price” and/or the quid pro quo of the other party. Most likely you will never be able to avoid all these risk factors from materializing. However, you should consider possibilities to protect your interests in the negotiation process. Of course, typical remedies could be indemnifications or limitations of liability, as applicable, however, usually there are several ways of structuring an agreement to appropriately protect both parties’ interests. It is certainly beneficial to negotiate price in relation to volume, however, when, e.g., selling a technical device you may also want to consider reps & warranties, regulatory requirements, liability and jurisdiction as cost factors. Some controllers can tell that albeit tremendous sales by a sales department, quality issues or changes in the regulatory environment sometimes can turn margins negligible.
In particular when doing business abroad often unsought issues such as governing law, jurisdiction, and venue can prove as hidden cost factors if not wisely considered: What is it good for to have an agreement with a good price if you are uncertain about its enforceability, you have to subject yourself to litigation in an unknown jurisdiction, and suddenly deal with unforeseen strict regulatory hurdles? Eventually, the value of a right is only as good as the cost of enforcing it.
So, would lawyers assist in negotiating price? Sure, however, always with a look at the myriad of factors that can turn down your contract value.
This blog post, and any responses to comments on this post, are intended to convey general thoughts on the topic presented. They should not be relied upon as legal advice. They are not an offer to represent you, nor are they intended to create an attorney-client relationship.